Mehr als 50.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland sind von einer akuten rheumatischen Erkrankung betroffen. Weitere 5.000 sind chronisch krank, und jährlich kommen fast 1.000 hinzu – bei diesen Kindern und Jugendlichen können Gelenkschädigungen bis hin zu deren Zerstörung auftreten. Die jungen PatientInnen müssen zudem häufig gegen soziale Isolation ankämpfen. Über die Ursachen von Kinder-Rheuma ist noch wenig bekannt. Vermutlich ist es erblich, doch auch Infektionen können Rheuma auslösen. Ein gesunder Körper reagiert mit seinen Abwehrkräften auf fremde Viren oder Bakterien. Bei Auto-Immunerkrankungen wie dem Rheuma jedoch richtet sich das Immunsystem auch gegen körpereigene Gewebe und Gelenke.
Die Diagnose
Die ersten Krankheitszeichen entwickeln sich oft schleichend, was eine Diagnose erschwert. Hinzu kommt, dass Kinder nicht konkret über Schmerzen klagen, sondern zum Beispiel weinerlich werden. Die Arthritis äußert sich durch geschwollene, warm werdende Gelenke. Die Beweglichkeit nimmt ab und jede Bewegung geht mit Schmerzen einher. Das erste, was auffällt, ist meist eine Schonhaltung, zum Beispiel, dass ein Bein beim Gehen nach außen gedreht wird. Auch eine Regenbogenhautentzündung kann auf Kinderrheuma hinweisen. Manche Formen von Rheuma können wie eine verschleppte Grippe aussehen.
Der Arzt, möglichst ein Spezialist mit Erfahrung mit Kinderrheuma, untersucht alle Gelenke sowie ergänzend das Blut. In ausgewählten Fällen werden Knochen, Gelenke und Gewebe auch mithilfe von Röntgen und Ultraschall genauer betrachtet.
Die Therapie
Für Rheuma-Kranke wird das Schützen und Entlasten der Gelenke zum festen Bestandteil ihres Lebens. Hinzu kommt eine breit gefächerte Therapie – um eine Linderung der Symptome zu erlangen und die Krankheit aufzuhalten, ist eine Behandlung auf folgenden Säulen nötig: Eine medikamentöse Therapie ist für die meisten Rheumakranken grundlegend. Hinzu kommen Lokaltherapie (Hitze/Kälte), mehrmals wöchentlich Krankengymnastik, regelmäßige Arztbesuche und Klinikaufenthalte sowie sozialmedizinische Betreuung.
Die Medikamente bekämpfen und verhindern Entzündungen. Auch Schmerzen und Fieber werden damit behandelt.
- Schwellungen können durch eine Eispackung gelindert werden. Diese entzieht dem Gelenk die überschüssige Wärme und hemmt Entzündung und Schmerz. Wenn die Entzündung und die Schwellung abgeklungen, aber die Bewegungen noch eingeschränkt sind, behandelt man das Gelenk mit Wärme. Fango- und warme Gel-Packungen wirken Muskel entspannend und fördern die Durchblutung.
- Regelmäßige Krankengymnastik verbessert die Gelenkigkeit, lindert Schmerzen, löst Muskelverspannungen, kräftigt die Muskulatur und vermeidet Fehlstellungen.
- Mit Hilfe der Ergotherapie wird richtiges Gelenkverhalten geübt. Spielerische und handwerkliche Tätigkeiten, z. B. mit Ton oder Knetmasse, aktivieren die Muskeln, die den Fehlhaltungen entgegenwirken. Man lernt hier, alltägliche Aktivitäten Gelenk schonend auszuführen. Hinzu kommt eine Gelenkschutz- und Hilfsmittelberatung.
- Auch sozialmedizinische Betreuung darf in der Therapie von Kinder-Rheuma nicht fehlen. Denn die Kinder haben – neben ihrer Behinderung im Alltag – nicht selten mit Ausgrenzungen zu kämpfen, und auch für Eltern stellt die Krankheit ihrer Kinder eine Belastung dar – u.a. durch Unverständnis in der Umwelt.
- Entspannungstraining; für Kinder ab 6 Jahren
- Schmerzbewältigungsseminare.
Vorbeugung und Heilungsprognose
Etwa die Hälfte der chronisch an Rheuma erkrankten Kinder und Jugendlicher kann innerhalb von 5 bis 10 Jahren geheilt werden. Die Heilungschancen sind um so größer, je früher die Krankheit erkannt wird. Eine Prophylaxe zum Verhindern der Erkrankung gibt es nicht, aber innerhalb der Behandlung kann Folgeschäden vorgebeugt werden. Auch Augenschäden können durch regelmäßige Kontrollen vermieden werden (augenfachärztliche Spaltlampenuntersuchung).
Verschiedene Verhaltensweisen und Hilfsmittel entlasten die Gelenke und erleichtern den Alltag:
- Rollpferdchen oder Dreiräder für Kleinkinder
- Gehroller mit Sitz für größere Kinder
- Fahrrad
- Unterarmstützen für Schulkinder und Jugendliche, um die Beingelenke zu entlasten
- Handfunktionsschienen bzw. Lagerungsschienen. Gerade die Schienen werden ganz individuell angepasst. Es gibt sie mittlerweile in allen möglichen Farben.
- Springen, Hüpfen und Laufen, aber auch Fersensitz oder Hocke sollte man vermeiden, da diese Übungen die Gelenke belasten.
Systemischer Lupus Erythematodes (SLE)
„Lupus“ ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Schädigungen an vielen verschiedenen Organsystemen auftreten. Bei dieser entzündlich-rheumatischen Erkrankung kommt es nicht nur zu Beschwerden des Bewegungsapparates, sondern auch zu gravierenden Beeinträchtigungen des zentralen Nervensystems, der Nieren, der Lunge und des Herzens. Das fehlerhaft regulierte Abwehrsystem des Körpers greift das eigene Körpergewebe und die eigenen Organe an. Erste Symptome zeigen sich bei dieser Erkrankung beispielsweise als akute Nierenentzündung oder auch Herzbeutel- und Rippenfellentzündungen. Im weiteren Verlauf der Krankheit kommt es zu Entzündungen der Gefäße und zu Veränderungen im Blutbild. Während beim „Haut-Lupus“ sich die rheumatische Entzündung auf die Haut beschränkt, ist beim systemischen „Organ-Lupus“ (SLE) der gesamte Organismus von der Krankheit betroffen. Lupus verläuft schubartig. Das Krankheitsbild ist individuell unterschiedlich. In der Regel erkranken jüngere Menschen im Alter zwischen 25 und 35 Jahren an einem Lupus. In Einzelfällen wird der Lupus aber auch bei älteren Menschen erstmalig festgestellt. Frauen erkranken achtmal häufiger als Männer. Als Ursache wird vermutet, dass Frauen ein aktiveres Immunsystem haben, was mit einem erhöhten Risiko für eine Fehlsteuerung verbunden ist. Auch hormonelle Einflüsse, die den Hormonhaushalt verändern (z. B. die erstmalige Einnahme der Anti-Baby-Pille, Schwangerschaften und Entbindungen), werden als Risikofaktoren für die Erkrankung angeführt. Behandelt wird die Erkrankung zunächst mit Medikamenten, die einzelne Zelltypen ganz gezielt ausschalten sollen. Viele Arzneimittel, die effektiver wirken und besser verträglich sind als die bisher zugelassenen, befinden sich derzeit allerdings noch in der Entwicklungsphase. Bei schweren Verlaufsformen des Lupus wird eine Stammzellentransplantation in Betracht gezogen. Die Stammzellentransplantation ist eine aggressive Therapieform, die in manchen Fällen zur Heilung führt. Da diese Therapieform große Risiken birgt, sollte sie in jedem Fall von einem Spezialisten durchgeführt werden.
Zelltherapie bei Rheuma
Mit der Zelltherapie wird versucht, zunächst die entzündlichen Prozesse des Rheumas auszuschalten und anschließend das Immunsystem wieder neu zu generieren. Bei der Stammzellentransplantation wird das fehlerhafte Immunsystem der Patienten durch eine Hochdosis-Chemotherapie zunächst zerstört und anschließend mit Hilfe der zuvor konservierten Stammzellen des Patienten wieder neu aufgebaut. So werden nach der Chemotherapie die Stammzellen aktiviert, aus dem Blut entnommen und aufbereitet dem Körper des Patienten zurückgegeben. Ein spezielles Zellsortiergerät filtert bei der Aufbereitung die Stammzellen aus dem peripheren Blut. Außerdem werden durch das Zellsortiergerät die für die bakterielle Krankheitsabwehr so wichtigen Neutrophilen vorher herausgelesen und dem Patienten gleich nach der Transplantation wieder zugeführt.
Es handelt sich bei der Transplantation um Blutstammzellen, die vom betroffenen Patienten selbst stammen. Dieses Verfahren wird daher als autologe (körpereigene) Stammzellentransplantation bezeichnet. Eine autologe Stammzellentransplantation hat den großen Vorteil, dass es nicht zu den gefürchteten Abstoßungsreaktionen kommt. Allerdings besteht der Nachteil der Methode darin, dass häufig Rückfälle zu beobachten sind. Autologe Blutstammzellen-Transplantationen werden nur bei sehr schweren rheumatischen Erkrankungen durchgeführt und nur in Fällen, in denen bereits alle konservativen Therapiemaßnahmen ausgeschöpft wurden.
Risiken der Zelltherapie
Die Therapie ist mit vielen Risiken und möglichen Komplikationen verbunden. So stellt eine Blutstammzellen-Transplantation für den Empfänger immer einen lebensbedrohlichen Eingriff dar. Vor allem in der Zeit nach der Chemotherapie und der Wiederzuführung der „gereinigten“ Stammzellen ist das Immunsystem des Patienten außer Kraft gesetzt. So besteht unmittelbar nach der Transplantation eine erhebliche Infektanfälligkeit. Der Körper des Patienten ist Krankheitserregern wochenlang schutzlos ausgesetzt. Wichtig ist daher, dass die Patienten in dieser „gefährlichen Phase“ vor möglichen Viren- und Bakterienattacken abgeschottet werden. In der Regel werden die Betroffenen in spezielle Bereichen des Krankenhauses (keimfreie Intensivstation) verlegt. Trotz der Risiken ist eine Blutstammzellen-Transplantation in vielen Fällen die letzte mögliche Rettung. Der vollständige Austausch des blutbildenden Systems ist manchmal die einzige Chance einer Heilung.
Bilanz und Erfolgsaussichten
Seit zehn Jahren werden in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Rheumaforschungszentrum an der Berliner Charité Stammzellentransplantationen durchgeführt. Von neun transplantierten Patienten (Diagnose: eine Polychondritis, fünf SLE, drei Systemsklerosen) sind heute drei der fünf SLE-Patienten und die Polychondritis-Patientin immer noch frei von Krankheitszeichen. Bei den Betroffenen hat sich das Blutbild normalisiert, die typischen Autoantikörper sind im Blut nicht mehr feststellbar. Bei einem SLE-Patient konnte zunächst ein Abklingen der Krankheit beobachtet werden. 17 Monate später traten jedoch erneut Krankheitszeichen auf, allerdings mit einem anderen Autoantikörpermuster als zuvor. Kein Erfolg zeigte die Transplantation bei den Systemsklerosen. Eine Patientin verstarb an einer Komplikation ihrer Grundkrankheit. Bei den beiden anderen Patienten besserte sich der Zustand nur vorübergehend, dann stellten sich sowohl die Antikörper als auch die Krankheit wieder ein.
Recherche Referenzen / Quellenhinweise
DGRh: Pressemeldung zum 36. Kongress der DGRh in Berlin 2008Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch, 261. Auflage. Berlin, Verlag Walter de Gruyter 2007Elstner, E.: Der Schatten des Wolfes. Wie ich eine heimtückische Krankheit besiegte. Ulstein Berlin 2006Hiepe, F.: Wiederherstellung der immunologischen Toleranz nach Stammzellentransplantation bei Autoimmunerkrankung, Charité Berlin 2007
Klinik Bad Nauheim
www.rheumanet.org
www.rheumawelt.de
http://www.kerckhoff-klinik.de/
http://www.rheuma-liga.de
http://www.dgrh.de/
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http://www.rheumanet.org/content/m4/k4/Artikel1077.aspxx
http://www.medizinfo.de/rheuma/medikamente/tnf_alpha_interleukin.shtml
http://www.rheumanet.org/content/m2/k1/k11/Artikel1076.aspxx